Rechtschreibreform 1901
Auch wenn die Sommerlochdiskussion um die Rückkehr des Spiegel- und Springer-Verlages zur alten Rechtschreibrelung zurückzukehren schon wieder ruhiger geworden zu sein scheint, hier ein Auszug aus dem aktuellen (20. August 2004) Duden-Newsletter :
Die Presse beschäftigte sich eifrig mit der Angelegenheit, einzelne Blätter begrüßten die Verordnung mit Freuden, viele verhielten sich ablehnend […] Manche Artikel waren augenscheinlich dazu bestimmt, das Publikum zu verwirren, andere es durch ungeheure Vorstellungen zu schrecken, wieder andere es mit Spott und Hohn zu belustigen.
Hier die ganze Meldung …
Die Rechtschreibreform von 1901
Bisweilen fördert der Blick zurück in die Vergangenheit erstaunliche Parallelen zur Gegenwart zutage. So auch im Fall der neuen deutschen Rechtschreibung. Die wenigsten wissen nämlich, dass unsere vertraute »alte Rechtschreibung« keineswegs so alt ist, wie immer vermutet wird, sondern erst im Jahr 1876 kodifiziert wurde. Aus diesem Jahr datieren die Beschlüsse der so genannten I. Orthographischen Konferenz, an der Konrad Duden einen wesentlichen Anteil hatte und die mit ihren Beschlüssen sozusagen eine erste Rechtschreibreform herbeiführte.
Abgeschafft wurde erst mit dieser Reform das »th« in heimischen Wörtern und damit Schreibweisen wie Theil, Thier, Athem, Eigenthum, Armuth, Noth, Werth. Die Verbindung »ey« wurde zu »ei«, beispielsweise in seyn, meynen, bey. Eingedeutscht wurde eine große Zahl von Fremdwörtern, indem »c« durch »k« oder »z« ersetzt wurde, wie etwa in Casse, Cultur, Clavier, Medicin, Cigarre, Citrone, social. Die Beschlüsse, die auch eine große Zahl von Varianten zuließen, riefen in der Öffentlichkeit zum Teil heftigen Widerstand gegen die ungewohnten Schreibweisen hervor, der – wie das damalige Kommissionsmitglied Wilmanns beschreibt – auch in den Zeitungen starken Widerhall fand: »Die Presse beschäftigte sich eifrig mit der Angelegenheit, einzelne Blätter begrüßten die Verordnung mit Freuden, viele verhielten sich ablehnend […] Manche Artikel waren augenscheinlich dazu bestimmt, das Publikum zu verwirren, andere es durch ungeheure Vorstellungen zu schrecken, wieder andere es mit Spott und Hohn zu belustigen.«
In den Schulen wurden die neuen Schreibweisen bereits seit 1876 unterrichtet, in Ämtern und Behörden aber auf Betreiben Bismarcks hin verboten. Erst im Jahr 1901 setzte sich die Schreibreform mit der II. Orthographischen Konferenz endgültig in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch.
Wer also heute glaubt, sich mit den veränderten Schreibweisen nicht anfreunden zu können, kann sich trösten, dass bereits vor über hundert Jahren Menschen Wortbilder wie Teil, Armut, sein, Kultur zunächst für unerträglich hielten, sich aber im Laufe der Zeit daran gewöhnten. Und auch die Sorge, die großen Werke der Literatur würden durch neue Schreibweisen verunstaltet, ist unbegründet: Goethe, Schiller, Fontane und alle anderen Klassiker haben bereits 1901 eine Schreibreform unbeschadet überstanden, und dass auch vor 1996 ihre Werke nicht im Original gelesen wurden, tat ihrer Originalität keinen Abbruch.
(c) Duden
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